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Rauchen: Kindheitserinnerungen

September 29, 2015

Als ich undgefähr drei Jahre alt war, stammelte ich, dass ich später auch rauchen würde, genau wie Papa. Wahrscheinlich, weil es in meinen Augen total cool aussah und er in seinen Anzügen wahrscheinlich auch ziemlich cool aussah.

Als mein Vater das hörte, sagte er natürlich, dass ich das natürlich nicht tun würde. Nachdem ich mich dieser scheinbaren Wahrheit verbal widersetzte, ließ er mich mit den Worten

So, du willst rauchen?

an seiner Zigarette ziehen und nach circa 2cm³ bekam ich einen Hustenanfall als frühkindliche Erinnerung. Wenn auch etwas extrem, war es eine kaklkulierte und effektive Erziehungsmaßnahme.

Danach war ich lange ein ganz gewöhnliches Klugscheißerkind, das den Erwachsenen ihr Laster vorwarf und deren Inkonsequenz und ihre Widersprüche nicht verstand. Ein mal zog ich auf einer Grillparty mit etwa gleichaltrigen Kindern an einem Strohhalm den wir angezündet hatten.

In meinem Zimmer herrschte ein absolutes Rauchverbot, bis auf eine Situation als mein Vater mich zu unserem gemeinsamen Wochenende abholen sollte, sich aber vorher meines defekten Computers annahm. Ihm wurde ein Aschenbecher gebracht und ich schaute fasziniert zu, wie er sich um den Computer kümmerte. Damals war er für mich das absolute Computergenie und ich wusste nicht, warum er in einer Bank arbeitete, wenn er doch mit Computern arbeiten könnte. Die Geste des Aschenbechers seitens meiner Mutter vermittelte auf eine Weise vielleicht den Eindruck, dass große fachliche Kompetenz andere Regeln überschrrieb. Es blieb die einzige Ausnahme und wenn meine Mutter im Auto rauchte, sorgte sie immer für Durchzug. Ich war damals vielleicht acht oder neun.

Am Kiosk in unserer Nähe durfte ich Zigaretten kaufen, nicht weil es keine gute Gegend war oder Kinder dort nicht rauchten, sondern der Inhaber meine Mutter und Oma kannte. Mir machte es nichts aus für meine Mutter Zigaretten zu kaufen, auch wenn ich Niemandem davon erzählen sollte. Für mich war es eher Vertrauen und das ich mit dem Geld keinen (größeren) Unsinn anstelle. An Automaten habe ich auch viele Kippen für Mama gezogen, ganz ohne selber eine davon zu nehmen. Warum auch, Rauchen war ja scheiße.

In etwa zehn war ich als meine große Freundin, die Tochter einer gemeinsamen Freundin meiner Mutter anfing zu rauchen, oder zumindest als ich das erste mal dabei war. Sie war vier Jahre älter und wir haben zusammen öfter Dinge unternommen, die meine Mutter nicht unbedingt erfahren sollte. Zusammen durch Köln ziehen, mit dem Hund spazieren, mit Sprühdosen über Mauern und Dächer klettern. Klingelmännchen und Telefonstreiche spielen, an Silvester heimlich mehr Alkohol aus dem Kühlschrank trinken als unsere Mütter gut geheißen hätten.

Sie rauchte, ich hielt mich, anders als bei anderen eher heraus. Es fühlte sich etwas so an als hätten die Kippen jetzt einen von uns, zumindest für mich.

An einem anderen Silvester, wenige Jahre später, durfte ich mir eine Zigarette meiner Mutter leihen um Raketen und anders Feuerwerk anzuzünden, wir waren bei anderen Freunden, Kippen funktionieren dazu einfach super und ich war noch ein relativ vernünftiges, relativ normales Kind. Wenn ich an der Kippe paffte, dann nur, damit sie nicht aus ging, in dieser kalten Silvesternacht.

A photo posted by Jonathan M. Hethey (@jonathanmh) on Sep 9, 2014 at 5:50am PDT

Auf dem Bild sollte ich ungefähr 13 sein.

Seitdem ich elf bin, leben wir in Dänemark, mit 14 oder 15 kam ich vom Joggen nach Hause und keuchend in die Küche, wo ich einen weiteren Hustenanfall bekam, der mir eigentlich gut hätte illustrieren müssen, wie stark die Wirkung von Passivrauchen schon sein kann. Ich rauchte immer noch nicht und würde es für die nächsten paar Jahre nicht tun.


© 2023, by Jonathan M. Hethey